Sonntag, 22. Januar 2012

Die Hölle, das sind die anderen

"Vater, du bist es, ich erkenn dich. Ich wollte mal so sein wie du."
"Warum sprichst du mit den Toten, das gefällt mir nicht. "
"Was soll ich denn mit den Lebenden noch reden?"
"Du bist zynisch, du bist bitter und allein.Um dich selber einzuschließen, musstest du dich nicht befreien.
"Mich ekelt alles an!"
"Man muss sich bemühen, glücklich zu sein!"
"Wozu sich selbst belügen?"
"Du hast niemals aufgegeben!"
"Vielleicht, weil ich noch nichts wusste von den Menschen."
"Nichts nahm dir den Mut! Wolltest leben ohne Zügel und tabu!"
"Das ist wahr! Leben frei wie ein Zigeuner mit der Zither unterm Arm.Nun ist es zu spät. Jetzt bin ich aus Stein. Nie werde ich so sein wie du!"

Der Abgrund kommt immer näher. Schritt für Schritt. Wie leicht es wäre alles zu beenden. Wie verdammt leicht. Ich möchte doch nur wieder Papas kleines Mädchen sein, das Gef�hl haben, dass ich es bin, die er über alles liebt und ich möchte ihn wieder bewundern können, wenn er doch nur noch einmal mein großer Held sein können. Ich möchte ich nur noch einmal so auf seine Schritte freuen, wenn er nach Hause kommt, wie damals als ich noch ein kleines Kind war und er die Überraschungseier aus der Jacke zauberte. Mich nur noch einmal sicher in seinen Armen fühlen können, noch einmal bedingslos geliebt zu werden. Das wäre es. Doch nichts, nichts davon kann mir all das wiederbringen.
Egal was ich tue, es kann nicht mehr so sein. Ich werde erwachsen. Und mit zunehmenden Alter fiel die Maske des Superhelden. Er ist nicht perfekt, er ist cholerisch, jähzornig, besserwisserisch, unbelehrbar, rechthaberisch, aggressiv und so leid es mir tut es zu sagen auch nicht mit einem übermaß an Intelligenz gesegnet, doch damit könnte man Leben, dass müsste nicht alles zerstören, oder? Meine Liebe zu ihm ist ungebrochen und ich lebe für die Momente wo er wieder der Mensch ist den ich über alle Maßen bewundere, den großzügigen, frühlichen, gutmütigen, herzensguten, wunderbare Papa, der keiner Fliege was zu Leide tut. Aber das ist er so selten. Viel zu selten.
Ich weiß, dass er alt wird. Ich weiß, dass er krank ist. Aber was hindert ihn denn daran mich kennen zu lernen, zu akzeptieren, wer ich bin. was hindert ihn daran in mein Zimmer zu kommen und zu fragen und nicht zu vergessen, sobald ich zu Ende geredet habe? Ich werde ihn immer lieben, weil er ein Teil von mir ist, aber den Respekt, die Achtung, die Bewunderung die hat er schon so lange verloren und nichts ändert etwas daran. Jedes Mal wenn er mich angeschrien hat, weil ich eine Meinung geäußert habe, die anders war als die seine, jedes Mal, wenn er sich wie ein kleines Kind in seinem Zimmer einschloss, jedes Mal, wenn er sich vor anderen über mich beschwerte und mich darstelle als würde ich das Schlimmste Kind auf Erden, immer wenn er einen Witz auf meine Kosten riss, oder das Falsche in Momenten sagte, in denen er so anders hätte sein müssen, immer wenn er drohte, dass er gehen und nicht wieder kommen würde, immer dann ist etwas in mir gestorben. Ich weiß es ist nicht richtig sich für seinen Vater zu schämen, aber in den Momenten, wenn er in seiner prolligen Art Witze reißt, wenn er mich lächerlich macht und vor meinen Freunden nieder , wenn er schrie als würde es keinen Morgen mehr geben würde, dann konnte ich nicht anders.Ich habe so gehofft, dass es wieder so werden kann wie früher. Ich habe es so gehofft. Aber mit jeder Träne die fällt weiß ich, dass es vorbei ist. Ich kann nicht verbergen was ich bin und ich verletze ihn, doch ich kann doch nicht mich selbst verleugnen, damit er glücklich ist, oder? Aber wie auch immer, jetzt ist es zu spät. Der Zug ist abgefahren. Und zurück geblieben ist nur noch Schmerz. Und am schlimmsten ist, wenn er mich mit der Enttäuschung im Blick ansieht, die ganz von Innen kommt und mich fragt: Was ist nur aus dir geworden? Dann würde ich am liebsten sterben. Nicht das Schlimmste ist, dass ich die Illusion von ihm verlor, sondern dass er die Person die ich bin nicht lieben kann, weil er sie nicht kennt, weil er sie nicht kennen will. Es ist nicht mein oder sein Fehler. Es ist unser Fehler. Wir sind uns so ähnlich und so fremd zugleich. Ich bin ihm so ähnlich, ich habe sein Temperament, seine Gutherzigkeit und seinen Gerechtigkeitssinn geerbt, aber genug von meiner Mutter um auch seine und meine Fehler zu kennen.
Ich weiß es ist falsch, so komplett grundlegend verkehrt, dass eine meiner gröten Ängste ist in Gänze so zu werden wie er. Aber es ist so. Es gibt nichts wovor ich mich mehr fürchte. Der Witz an der Sache ist, wenn meine Eltern sauer auf mich sind und mir Dinge vorwerfen, so sagt meine Mutter stets: Du redest wie dein Vater, herzlichen Glückwunsch. Wenn mein Vater sauer auf mich ist, dann sagt er immer: Die Gene deiner Mutter kommen durch.
Und was ist besser? Ich weiß es nicht. Ich bin ich und nicht sie oder er. Ich kann hier nicht mehr länger bleiben ich mache alles kaputt und nicht zuletzt mich selbst.

ICH MUSS HIER ENDLICH RAUS sonst gehe ich kaputt. Ich zerbreche langsam von innen und es gibt nichts das ich tun kann. Bitte, bitte. Hol mich doch endlich hier raus. Onkel, warum hast du nicht getan, wovon du damals vor zwei Jahren gesprochen hast: "Wir haben oft überlegt dich weg zu holen, aber wir dachten immer,es sei nicht das richtige."
Gott, warum hast es nicht getan. Soviel Leid wäre uns allen erspart geblieben. Oder noch besser. Ich hätte niemals geboren werden dürfen. Niemals. Niemals hätte meine Mutter schwanger werden dürfen, niemals hätten sie sich für mich entscheiden dürfen. Es gibt Geburten die niemals hätten sein dürfen, bei denen Kinder entstehen, die es eigentlich nicht geben dürfte und die Menschen sind, die niemals ihren Platz in dieser Welt finden können. Ich bin so ein Kind und ich frage mich nun, ob nicht die einzige Lösung der Sprung wäre.
Ich bin bereit zu gehen. Bitte komm und hol mich. Bitte mach den Qualen und dem Leid endlich ein Ende, denn ich habe nicht den Mut dafür. Hole mich zu dir, wenn du ein gütiger Gott bist, mache mich zu einem Schutzengel, dass ich über die Menschen wachen kann, die wirklich am Leben sein sollen. Ich gehöre nicht in diese Welt, in diese Zeit, zu dieser Gesellschaft. Ich bin ein Schattenkind, ein Wechselbalg. In dieser Welt nicht zu Haus, ich gehöre dem Jenseits.

xx
Janna



Wie oft hab ich gewartet, dass du mit mir sprichst?
Wie hoffte ich, dass du endlich das Schweigen brichst.
Doch dich erschreckt, wie ähnlich wir beide uns sind:
So überflüssig, so überdrüssig der Welt, die zu sterben beginnt.
Wenn ich dein Spiegel wär, dann würdest du dich in mir sehn.
Dann fiel`s dir nicht so schwer, was ich nicht sage, zu verstehn.
Bis du dich umdrehst, weil du dich zu gut in mir erkennst.
Du ziehst mich an und lässt mich doch niemals zu dir.
Seh ich dich an, weicht dein Blick immer aus vor mir.
Wir sind uns fremd und sind uns zutiefst verwandt.
Ich geb dir Zeichen, will dich erreichen,
doch zwischen uns steht eine Wand. Wenn ich dein Spiegel wär,
dann würdest du dich in mir sehn.
Dann fiel`s dir nicht so schwer, was ich nicht sage, zu verstehn.

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