Die Frage ist bloß:´
Wie wird man seinen Schatten los?
Wie sagt man seinem Schicksal nein?
Wie kriecht man aus der eignen Haut?
Wie kann man je ein andrer sein?
Wann hat es angefangen nebensächlich zu werden? Ich weiß es nicht mehr. Irgendwann habe ich die Fähigkeit erlernt, alles beiseite zu schieben, was unangenehm ist, mir Angst machen könnte oder mich wahnsinnig werden lässt. Sonst wäre ich wohl längst zerbrochen.
Meine Psychologin meinte immer, sie würde es bewundern, dass ich das mit meinen Eltern so locker sehen würde. Sie hat nichts verstanden. Sie hat nicht gesehen, was ich schon seit einer Ewigkeit weiß. Das ich in Wirklichkeit niemals damit klar gekommen bin, sondern es nur verbannt habe, an einen Ort andem es mir nichts anhaben kann.
Ich bin nicht in Tränen ausgebrochen und schreiend durch die Schule gelaufen, als ich meine beste Freundin verlor, wie ich es eigentlich wollte, stattdessen hob ich den Kopf, lächelte und schob es beiseite.
Morgen geht erneut die Hölle meines Lebens los? Was solls! Schieben wir es beiseite und relativieren wir es.
Doch darum sollte diese Post nicht gehen.
Ich möchte euch die Frage stellen, wie man seinen eigenen Schatten los wird!
Ich lebe solange ich denken kann im Schatten des Krankenhauses. Ich weiß nicht, wann es anders war. Es war nie anders. Seit meiner Geburt folgt eine Op der nächsten und immer wenn es vielleicht absehbar ist, geht etwas schief und die nächste Reihe folgt.
Vielleicht übertreibe ich ein wenig, ich bin sicher, dass es Menschen gibt, die öfter hin müssen und wegen schlimmerem, doch es kommt mir so vor. Ich kann es nicht ändern.
Meine Hoffnung war immer, dass es vorbei ist, wenn die Schule endet. Dann kann ich ein Austauschjahr machen, ohne es mir von denen verbieten lassen zu müssen, dann kann ich soweit weg ziehen, wie ich es will, ohne Rücksicht auf die nehmen zu müssen.
Doch es ist zugleich auch meine größte Angst. Das es niemals vorbei sein wird, dass ich dem Schatten niemals entkommen werde, dass ich nicht mit 18 normal werde. Wie jedes andere kleine Mädchen. Während andere sich auf die Ferien freuten, dachte ich nur an die Zwangsdiät, die sie mir verordnen würden, an die Bücher, die im Krankenbett lesen würde, und an die Enge des Zimmers, das mich einsperrt. (Selbstverständlich nicht an die Schmerzen, an die Spritzen und die Narben)
Gott, wie sehr habe ich mir gewünscht, wie sie zu sein. Sie die niemals ein Krankenhaus von innen sahen, die niemals das Gefühl kennen lernten, langsam weg zu driften und zu wissen diesen fremden Menschen hilflos ausgeliefert zu sein. Nicht die Nadel spüren, die mich schon als Baby wahnsinnig machte und mir als Phobie vor Spritzen erhalen blieb.
Doch ich kann nicht aus meiner Haut, nicht wahr? Ich werde immer ich sein, mit dieser Geschichte, mit diesem Fluch, mit dieser Qual. Ich werde niemals sie sein können
Wie oft stellten meine Eltern die Frage, wann es vorbei sein würde. Ich stellte sie nie. Denn ich hatte immer Angst vor der Antwort. Meine größte Angs? Ist der Schatten der mich verfolgt, ist mein eigenes Ich, ist die Spritze, als Symbol meines Fluchs.
Ich war nie wie andere Kinder, als ich in die Grundschule kam musste ich anfangen zu fragen warum. Die anderen Kinder sehen den Schatte, der mich verfolgt. Sie sehen ihn als die Narbe. Und sie schrecken zurück, weil sie es nicht kennen. Wie soll man das einem 5 Jährigem Kind erklären?
Was soll mir die Unsterblichkeit!Vor dem Sterben will ich leben.Wie wird man seinen Schatten los?Wie lässt man alles hinter sich?Wie jagt man sein Gewissen fort?Wie flieht man vor dem eignen Ich?Wie kann man flüchten,wenn man sich selbst im Wege steht?Wie kann man frei sein,wenn man seinem eignen Schatten nie entgeht?
Es hemmte mich, machte mich vorsichtig, machte mir Angst. Ich wurde verletzlich und je verletzlicher ich wurde, desto vrosichtiger wurde ich, desto abweisender wirkte ich auf andere und umso einsamer wurde ich. Sie haben mich zu dem Menschen gemacht der ich heute bin. Einsam. An mein Krankenbett wird niemand kommen. Sie alle da draußen, sie wissen es nicht. Ich könnte Dienstag sterben. Und es wäre egal, es würde niemand erfahren, niemanden wäre es wichtig. Gott, was ist das für eine traurige Erkenntnis, dass nichts von einem zurück bleibt, dass sich niemand an einen erinneren würde. Doch es gibt dort niemanden dem ich wichtig bin. Vielleicht meine Eltern. Aber auch sie würden nicht kommen, wenn ich nicht ihre Tochter wäre.
Mein Schatten, der Teil von mir, den ich immer los werden wollte, zerstörte mich. Ich war schon so oft in Situationen indenen ich nichts mehr wollte als leben, ich selbst sein, zeigen was ich konnte, alle regeln brechen, doch ich stolperte immer wieder über mich selbst und hielt mich auf. Ich bin armselig und traurig, versteckt hinter einer Maske des Hochmuts und der Abwehr. Ich bin stark? Nur um nicht zusammenzubrechen.
Mit niemandem kann ich sprechen, wenn ich mit meinen Eltern darüber spreche, fangen sie an zu weinen, sie haben noch größere Angst als ich, ich kann ihnen nicht zeigen, dass ich fast wahnsinnig werde, wenn auch mehr aus Angst, dass es niemals vorbei sein wird.
Wie oft habe ich die Frage gestellt, warum ich? Warum nicht irgendwer anders? Doch die Frage sollte eher lauten, wieso überhaupt jemand? Wer verdient dieses Schicksal, was hat es für einen Sinn? Ich habe nie eine Antwort bekommen.
Ich glaube nicht direkt daran, dass dort oben Gott ist. Aber ich glaube, dass irgendwo, irgendetwas ist, dass unsere Geschicke leitet, und dass es einen Grund geben muss, warum alles so ist wie es ist. Etwas nicht wissenschaftliches. Etwas magisches. Aber warum? Warum nur?
Auch mich würde es nicht kümmern. Ich habe keine Angst vor dem Tod. Manchmal glaube ich sogar, dass es das Beste wäre, bei einer dieser Ops zu sterben. Dann könnte niemand mir einen Vorwurf machen, ich müsste nicht den Mut aufbringen es selbst zu tun und trotzdem wäre alles vorbei. Vielleicht würden ein paar Leute es dann sogar bereuen. Ich klammere mich an die Hoffnung, dass man aus der Narkose nur aufwacht, wenn man dafür kämpft. Ich hoffe ich kämpfe nicht. Dann wäre es endlich vorbei, vielleicht zieht meine Seele dann weiter, und ich bekomme endlich das Leben, dass ich mir wünsche.
Dann hätte das Krankenhaus es endlich geschafft, mir auch das letzte zu nehmen was ich habe, mein Leben. Denn Meine Vergangenheit, meine Gegenwart, und meine Zukunft, die haben sie mir schon genommen. Für die war ich niemals mehr als eine Aktennummer, ein Fall, ein Patient. Niemals das Mädchen, dem sie die Chance auf ein integriertes Teenagerleben genommen haben. Niemals das Mädchen, dass Angst hat ihr Abitur nicht zu schaffen, weil sie vielleicht bei den wichtigsten Klausuren auf dem Optisch liegt.
Niemals das Mädchen, dass Ausflüge nicht mitmachen kann, weil sie zur selben Zeit gefesselt ans Bett Medizin schlucken muss.
Ich weiß, es wird nicht ewig so sein, warum kommt es mir dann nur so vor?
Vielleicht habe ich Glück, ihr Lieben, und dies ist mein letzter Post. Vielleicht werde ich nicht überleben. Vielleicht wird es vorbei sein. Dieses Leben, mit dem Schatten ,den ich niemals los werde.
Ich hoffe nur sehr, dass, falls nicht, meine Eltern diesen Blog niemals finden werden. Wenn doch: Mama, Papa: Es ist nicht eure Schuld!
Ps: Er hat sich nicht mehr gemeldet. Ich hätte es so gehofft, vielleicht hätte er mir meinen Lebensmut geben können. Es tut weh, doch vielleicht ist es besser so.